some have many suns and moons
Kunstraum Remise in Bludenz (AT)
17.04. - 31.05.2025
Curated by Luka Berchtold
© Photos by Christa Engstler
DE
Mit der Poesie des Universums und der Koexistenz von Planeten mit all ihren Sonnen und Monden beschäftigte sich der frühgriechische Philosoph Demokrit (*ca. 450 v. Chr.), der als ein Hauptvertreter der antiken Atomistik gilt und unter anderem Schriften zur Seelenlehre verfasste. Die Ausstellung kann als Szenografie eines Textauszugs Demokrits gelesen werden, der rechts neben dem Gebäudeeingang zum Mitnehmen an der Wand hängt. Im Text werden gewisse Dimensionen, Mengen und Dynamiken zwischen den Teilchen, die für Harmonie und Disharmonie sorgen, verhandelt. Demokrit nannte Atome „Welten“ und schreibt über die Leere als wesentliches Element für Bewegungs- und Begegnungsabläufe von Materie; kommt es zum Zusammenprall, zerstören sich die Welten gegenseitig. Ähnlich der Sterne, um welche die Planeten kreisen – ohne die Dunkelheit herrschen würde – ist auch die Ausstellung von Licht gezeichnet. Einerseits physisch in Form von einfachen Glühbirnen, andererseits als Abbild in Siebdrucken — einem Druckverfahren, das wiederum durch die Belichtung von lichtempfindlichem Material funktioniert. Alltagsgegenstände und Architekturen, die stets menschliche Bedürfnisse reflektieren, variieren in Material und Form und wechseln die Orte. Die Fragilität der Objekte und deren behutsame Anordnung im Raum, mit ausreichend Abstand zueinander, implizieren die Gefahr der gegenseitigen Zerstörung.
Das sehr aufnahmefähige und leichte Material Papier beschreibt die Künstlerin als Stoff, der als Träger von Notizen, Skizzen oder Modellen unseren Gedanken am nächsten kommt. Wir sprechen oft über Kognition und Denken, als würde Information „fließen“. Der Philosoph René Descartes formulierte einst seine Vorstellung, dass das Denken durch den Fluss von Flüssigkeiten in Röhren im Gehirn gesteuert wird. Die beiden Objekte am Boden bestehen aus Papierrollen und verweisen somit doppelt auf menschliche Bewusstseinsströme. Die An- und Abwesenheit von Flüssigkeit taucht in weiteren Alltagsgegenständen auf. Zwei leere Flaschen stecken ineinander und erzählen von inneren und äußeren Parallelwelten, während im Videoloop der Inhalt in stillen, fragilen Körpern Wogen schlägt. Die flüssige Welle geht an der gegenüberliegenden Wand in eine Lichtwelle über, wobei sich die zyklischen Bewegungen ähneln und die Wiederholung regiert. Ein Lichtschalter aus Papier, der nur durch seine Form an ein Ein- und Ausschalten denken lässt, erinnert wiederum ans Denken selbst – und wie unaufhörlich es ist. Unaufhörlich wie die Unaufhörlichkeit des Alltags.
Text: Luka Berchtold